Die österreichische Landwirtschaft unterscheidet sich mehrfach von anderen Ländern Europas. "Erstens ist die österreichische Landwirtschaft tendenziell kleinräumig, zweitens hat sie eine starke Orientierung im Bereich der biologischen Landwirtschaft. Die Konsumenten sind bereit für Bio, aber noch mehr für regional, zu zahlen", beobachtet Johannes Auer, der als freier Berater und Pilzexperte zahlreichen Agrarbetrieben mit Rat und Tat zur Seite steht.
Regional kann, muss aber nicht mit Bio Hand in Hand gehen und regional gewinnt zunehmend selbst bei den Kunden an Bedeutung, die konventionelle Produkte bevorzugen, fährt Auer fort. "Etwa 23 Prozent der österreichischen Agrarbetriebe arbeiten biologisch, eine der höchsten Raten weltweit. Die Konzentration am Weltagrarmarkt nimmt hingegen weiter zu, während bei uns immer noch die kleinräumige Familienlandwirtschaft insofern befeuert wird, als sie im Marketing ausgeschlachtet wird, während diese Betriebe im Alltag meist vollkommen allein gelassen werden, und sich aber in eine ständige Abhängigkeit von Produktionsketten begeben. Daher wir die Zukunftsfrage für Landwirte und Lebensmittelhandel sein: Wer kontrolliert die Produktionsketten, wer hat die Rohstoffe in der Hand und wie wird die Landwirtschaft mit dem Handel in Österreich zusammenarbeiten?"
Geschlossene Rohstoffkreisläufe & strategische Neuausrichtung
Demnach müsse der LEH gemäß Auer das Konzept der geschlossenen Kreisläufe forcieren. "Dabei geht es aber nicht darum, dass jeder landwirtschaftliche Unternehmer alles selbst produziert, sondern in einem kleinräumigen Land wie Österreich geht es nicht ohne Kooperation. Das Preisniveau wird auf Dauer nur stabil bleiben, im Bereich regional und Bio, wenn eine gesunde Diversität und keine partielle Überversorgung besteht. Dabei muss der Fokus auf Kreisläufen und auf Importsubstitution sowie Rohstoffeigenversorgung liegen; nicht nur aus wirtschaftlichen, aber auch und besonders aus Transparenzgründen. Denn wie weit geht regional?"
Prinzipiell ziehen zu viele Bauern darauf ab, ihre Höfe durch Grundverkäufe – in Österreich oftmals auch 'Baurecht' genannt – zu erhalten. Auer: "Diese Gründe werden aber meist teilweise oder ganz versiegelt und der Boden dadurch vernichtet. Dieser Trend wird wiederum seitens des LEH, wenn überhaupt, viel zu wenig beachtet. Denn dieses Verhalten konkurriert mit dem Anspruch des Handels auf immer mehr regional und auch Bio."
Gemäß Auer habe der Handel zwei Möglichkeiten auf diesen Negativtrend zu reagieren: Die tatsächliche Förderung von landwirtschaftlichen Kreisläufen, wie dies teilweise praktiziert wird, sowie die Förderung eigener innovativer Anbaumethoden. "Lösungsansätze zur Produktion hochwertiger Lebensmittel auf beschränkter Fläche, etwa mittels Vertical Farming oder Hydroponik - sind hier gefragt, aber auch und gerade Kooperativen. Fleischersatzprodukte und vegane Produkte brauchen nicht unbedingt viel Fläche wohl aber Innovation. Die Bauern müssen sich um den Markt bemühen und ihn kennen, um gemeinsam reagieren zu können und Preise stabil zu halten. Solche Kooperativen sind der Partner des Handels, nicht etwa die inflationäre Gründung sogenannter 'Hof-Läden'", meint Auer.
Der Boden als lebendiges Gold
Nicht zuletzt müsse der Handel in einem Konzept zum Erhalt regionaler Produzenten der Boden eine entscheidende Rolle spielen. Auer: "Humuskreisläufe sollten in Marktstrategien umgelegt werden. Regionale Landwirtschaft ist ein Baustein einer erfolgreichen Volkswirtschaft und nicht nur eine Werbe-Eintagsfliege. Der Konsument ist bereit für eine Marktreform und selbst große Handelsketten und Discounter ändern ihre Marktstrategie derzeit fundamental."
Authentizität und Glaubwürdigkeit
Nicht erst die Corona-Krise habe Auer zufolge gezeigt, dass Konsumenten in Österreich bereit sind für regional und Bio einen Mehrpreis zu bezahlen. Dabei dürfe jedoch eines nicht übersehen werden: "Es genügt heute nicht mehr sich auf das Gütesiegel eines Institutes zu verlassen und dabei den Betrieb einmal im Jahr für das obligatorische Audit herauszuputzen. Die Konsumenten wollen maximale Transparenz und einige Versierte wollen hinter die Kulissen blicken. Dabei nehmen die Authentizität und auch die Glaubwürdigkeit des Produzenten eine zentrale Rolle ein."
In Österreich müssen der Handel und Produzenten bestrebt sein, das Wort 'Industrialisierung' etwas zu entschärfen. "Manufaktur-Produktionen bergen auch Risken und die industrielle Landwirtschaft kann gerade im Bereich Innovation und Nachhaltigkeit starke positive Effekte erzielen. Jedoch darf eines nicht passieren: Das, was in der Werbung als Heile Welt suggeriert wird, eine romantisierte Landwirtschaft wie vor 100 Jahren, die es so auch nie gab, zu präsentieren, während eben diese Bio-Lebensmittel oftmals in eintönigen Panel-Hallen produziert werden. Es bedarf einer transparenten Gesamtstrategie. Der Konsument ist längst nicht mehr der, der er noch vor einigen Jahren war."
Strategische Grundfragen
Der Lebensmittelhandel und auch der Produzent tun gut daran sich Grundfragen zu stellen, schlussfolgert Auer. "Denn die Lebensmittelproduktion muss sich strategisch neu ausrichten, um am Weltmarkt bestehen zu können. Der Bauer der Zukunft muss viel stärker noch als vor einigen Jahren eine Gesamtstrategie verfolgen und der Lebensmittelhandel muss hier als Partner agieren."
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Johannes Auer
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