Das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft hat richtigerweise erkannt, dass junge Menschen eine wichtige Rolle in der Land- und Lebensmittelwirtschaft spielen. Diese Beteiligung ist notwendig und richtig. Sie sollte in der Zukunft unbedingt ausgebaut werden, um eine stärkere inhaltliche Beteiligung junger Menschen zu gewährleisten.
Vertreter.innen der Jugendverbände (v.l.n.r.).: Heiko Holland (Junges Naturland), Francesca Volz (Junges Naturland), Anna-K. Thiel (BNN.Next), Luis Sanktjohanser (Junges Bioland e.V.), Linnéa Krumpe (BNN.Next), Studierende der Hochschule Eberswald
Das Jugendpolitischen Forum hat gezeigt, dass Jungbäuerinnen und -bauern klare Vorstellungen haben, wie sie eine nachhaltige Zukunft mitgestalten können und was sie dafür brauchen. Daher stellen Vertreterinnen und Vertreter verschiedener Jugendverbände folgende Forderungen auf, die für krisenfeste nachhaltige Agrar- und Ernährungssysteme notwendig sind:
Deregulierung der Gentechnik stoppen:
Der Vorschlag zur Deregulierung der Gentechnik stellt alle Nachhaltigkeitsziele, die sich die EU-Kommission mit der Farm-to-Fork Strategie gestellt hat, in Frage. Die Verbraucher:innen in der Europäischen Union müssen auch weiterhin wählen können, ob sie gentechnisch-veränderte Produkte kaufen wollen oder nicht. Daher braucht es die klare Kennzeichnung vom Saatgut bis zum Endprodukt. Der Anbau gentechnisch veränderter Pflanzen, ob nach traditionellen oder neuen gentechnischen Verfahren, befeuert Anbausysteme mit Monokulturen und den Einsatz von Pestiziden. Dem Ökolandbau, der nach dem Prinzip der Risikominimierung für Mensch, Tier und Umwelt arbeitet, widerspricht diese Risiko-Technologie. Daher ist es gut, dass der Entwurf der EU-Kommission anerkennt, dass Öko-Landwirt*innen weiterhin ohne Gentechnik arbeiten.
Patente auf Pflanzen oder Eigenschaften von Pflanzen erzeugen neue Abhängigkeiten und untergraben eine resiliente bäuerliche Landwirtschaft. Sie sollten unbedingt verhindert werden. Die Industrie ködert die europäische Gemeinschaft mit fragwürdigen Deals und Nachhaltigkeitsversprechen, die sie bisher in keiner Weise eingehalten hat. Die Bundesregierung und das BMEL dürfen sich nicht davon blenden lassen. Wir fordern sie daher auf, sich dafür einzusetzen, dass es auch weiterhin eine patent- und gentechnikfreie landwirtschaftliche Produktion und eine echte Wahlfreiheit für Verbraucher:innen gibt.
Ökolandbau in Forschung und Bildung ausbauen:
Der Ausbau des Öko-Landbaus ist für die Transformation zu einem nachhaltigen Ernährungssystem unabdingbar. Ein elementarer Eckpfeiler dieser Transformation ist die Investition in Forschung und Bildung im Öko-Landbau sowie der ökologischen Lebensmittelwirtschaft. Nur wenn Jungbäuer:innen und -bauern sowie Auszubildende in Herstellung und Handel schon in ihrer Ausbildung Öko-Themen kontinuierlich vermittelt bekommen und Lehrkräfte Öko-Themen in ihrer Ausbildung erlernen, kann der Weg zu 30% Öko-Landbau bereitet werden.
Umso bedauerlicher und unverständlich für junge Öko-Bäuer:innen sowie Produzent:innen ist es daher, dass die Forschungsgelder für den Ökolandbau trotz anderer Erwartungen bei 2% der Mittel stocken. Wichtige Öko-Forschungsprojekte können dadurch nicht umgesetzt und entscheidende Zukunftspfade nicht ausgebaut werden.
0% MwSt auf Bio
Der Bio-Fachhandel und die Bio-Anbauverbände haben maßgeblich dazu beigetragen, dass Bio heute in der Mitte der Gesellschaft angekommen ist. Die Bio-Bewegung hat es geschafft, Nachhaltigkeit und ökologische Verantwortung gesellschaftlich zu verankern. Durch ihr konsequentes Engagement qualitativ hochwertige, ökologisch erzeugte Lebensmittel anzubieten, haben die ökologisch motivierten Hersteller, sowie und Groß- und Einzelhändler den Grundstein für den Erfolg von Bioprodukten gelegt. Bio ist kein Nischenmarkt mehr, sondern ein bedeutender Wirtschaftszweig, der einen zentralen Beitrag zur nachhaltigen Entwicklung leistet.
Doch das bestehende System benachteiligt nachhaltig handelnde Unternehmen. Es werden Unternehmen subventioniert, die zu Lasten von Umwelt und Klima wirtschaften. Dies ermöglicht ihnen, günstigere Preise anzubieten, weil sie Umweltfolgeschäden auf die Allgemeinheit abwälzen. Bio-Unternehmen hingegen preisen die höheren Kosten, die eine nachhaltige und umweltschonende Produktion mit sich bringen, ein und machen damit die Kosten von Ökosystemdienstleistungen sichtbar.
Was wir jetzt benötigen, sind positive Anreize, um die Kosten gerechter zu verteilen. Um der Marktverzerrung entgegenzuwirken und Verbraucher finanziell zu entlasten, wäre eine Absenkung der Mehrwertsteuer für Bio-Produkte auf null Prozent sinnvoll.
Über den Tellerrand: Bio für Alle auch in der Außer-Haus-Verpflegung
Die Bundesregierung setzt sich verstärkt für die Förderung von Bio-Kantinen ein. Mit der Einführung der neuen Bio-Außer-Haus-Verpflegung-Verordnung (Bio-AHVV) und der überarbeiteten Bundes-Kantinenrichtlinie werden die politischen Rahmenbedingungen geschaffen, um den Anteil von Bio-Lebensmitteln in Kantinen auf 30 Prozent zu erhöhen. Doch es braucht auch konkrete Umsetzungsmaßnahmen. Reine Quoten nützen wenig, wenn die Umstellung nur sehr schleppend vorangeht. Andere Länder in Europa wie z.B. Österreich haben gezeigt, dass die Förderung von Beratung sowie eine zeitweise Übernahme der Zertifizierungskosten ein wirksamer Hebel sind. Zudem müsse der Auf- und Ausbau regionaler Wertschöpfungsketten unterstützt werden. Darüber hinaus sollte der Anteil von Bio-Lebensmitteln in öffentlichen Kantinen sukzessive auch über das 30-Prozent-Ziel hinaus erhöht werden.
Geschlechtergerechtigkeit: Eine Bedingung für nachhaltige Ernährung
Frauen sind in der männerdominierten Land- und Lebensmittelwirtschaft nach wie vor strukturell benachteiligt beim Zugang zu Land, Krediten, Technologien und Bildung. In den meisten Kontexten ist die klassische geschlechtsspezifische Arbeitsteilung richtungsweisend: Frauen versorgen den bäuerlichen Haushalt und unterstützen die Männer als Helferinnen oder Arbeiterinnen, nicht als gleichberechtigte Landwirtinnen, obwohl sie über landwirtschaftliches Wissen, Expertise und Erfahrungen verfügen. Diese Einstellung bleibt erhalten, häufig auch bei den Frauen, die die gängige Rollenverteilung nicht hinterfragen.
Um den Herausforderungen, vor die der Klimawandel die Land- und Lebensmittelwirtschaft stellt, bestmöglich begegnen zu können, müssen Frauen und Männer ihre Perspektiven gleichberechtigt einbringen und genauso gleichberechtigt nach Lösungen suchen können. Wenn das nicht geschieht, besteht die Gefahr, dass sich die Benachteiligung von Frauen fortschreibt mit negativen Folgen für das Klima, die Land- und Lebensmittelwirtschaft und die Ernährungssicherheit.
Ernährungsstrategien reproduzieren die Ordnung der Geschlechter. Deshalb sollte die Bundesregierung Konzepte für geschlechtergerechte Gesundheitsförderung und Prävention im Bereich Ernährung entwickeln und entsprechende Programme erfolgreich zur praktischen Anwendung bringen.
Weitere Informationen:
www.n-bnn.de