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Joachim Becker, Landwirt aus Rosengarten-Klecken:

"Ich empfinde es als perfide, die Streichung einer geringen Steuerbegünstigung als Streichung von Subventionen zu diffamieren"

"Die Streichung einer einzigen Steuererleichterung hätte uns noch nicht auf die Straße gebracht, auch nicht, dass man uns viele unnütze bürokratische Hürden aufzwingt", sagt Joachim Becker. Der Landwirt nahm an den Protesten der letzten zwei Wochen teil und baut Erdbeeren, Himbeeren sowie Brombeeren in Rosengarten-Klecken an. Außerdem betreibt er eine Biogasanlage.


Joachim Becker. Foto: Florian Quandt/Hamburger Morgenpost

"Denn neben der geplanten Streichung der Dieselrückvergütung mussten deutsche Landwirte und Gärtner viele weitere Einschränkungen in den vergangenen Jahren hinnehmen. Etwa die neue Düngeverordnung mit der sinnfreien Einführung sogenannter 'Roter Gebiete' oder auch die Einführung und die für unsere Branche schwierige Anhebung des Mindestlohns. Insbesondere der Mindestlohn in Kombination mit dem Lohnabstandsgebot trifft all jene hart, die sich auf dem Markt im europäischen und internationalen Wettbewerb befinden. Und das, obgleich die Standards für Pflanzenschutz, Düngung oder soziale Belange in Deutschland ehedem schon hoch waren. Die Preissituation mit Bezug auf Arbeitskräfte und nun auch noch bei Maut und Treibstoff bringt die gesamte deutsche Landwirtschaft und den Gartenbau in große Gefahr", so Becker.

Unausgeglichene Besteuerung
"Ich empfinde es als geradezu perfide, die Streichung einer relativ geringen Steuerbegünstigung als Streichung von Subventionen zu diffamieren. Der Agrardiesel hat die zweithöchste Besteuerungsstufe bei Kraftstoffen. Niemand würde etwa auf die Idee kommen, den reduzierten Steuersatz für Heizöl, Hafendiesel oder das teils komplett steuerfreie Kerosin als Subvention zu bezeichnen. Das sind Steuersätze, die von allen akzeptiert werden. Bei Kerosin oder Schweröl für die internationale Schifffahrt begründet man die Nichtbesteuerung mit der Wettbewerbsfähigkeit des Standorts Deutschland und mit internationalen Gepflogenheiten. Nichts anderes sollte doch auch für den Erwerbsgartenbau und die Landwirtschaft gelten, die sich ebenfalls im internationalen Wettbewerb befinden", meint Becker.

"Verzerrung durch Marktmanipulation"
"Ein großes Problem ist die Verzerrung durch Marktmanipulation. Zum Beispiel würden Landwirte gerne ihre eigenen biogenen Treibstoffe nutzen, wie etwa Rapsmethylester, Rapsöl für Dieselmotoren oder Bioethanol für Benzinmotoren. Vor 15 Jahren führte die EU einen Beimischungszwang ein, weil mit der Herstellung von Biodiesel und Bioethanol angeblich Nahrungsmittel künstlich verknappt würden. Der Beimischungszwang wurde dann auf europäischer Ebene beschlossen. Seitdem müssen wir Mineralölstoffe in fremdbestimmtem Mischungsverhältnis tanken. Dabei liegen die Vorteile eigener Treibstoffe auf der Hand: Sie sind CO₂-neutral, haben kurze Wege und stärken die Branche. Die biogenen Stoffe zu nutzen, wäre aber wirklich CO₂-neutral", heißt es.

Kritik am Bauernverband
Dass es jüngst zu diesen Protesten kam, sei einerseits dem Vernetzungspotenzial durch die sozialen Medien zu verdanken, andererseits der Gründung des Verbands LSV Deutschland e. V. – Land schafft Verbindung. "Die Gründung des LSV kam dadurch zustande, weil wir uns durch den Deutschen Bauernverband e. V. schlecht vertreten gefühlt haben. Nachdem der LSV gegründet wurde, wachte auch der Bauernverband wieder auf und positioniert sich entsprechend. Die Lethargie des Bauernverbandes scheint durch die jüngsten Ereignisse zumindest aufgerüttelt und infrage gestellt. Das tut gut", sagt Becker.

Misstrauen gegenüber Politik und Presse
Der Presse sowie der Politik sprach er ein allgemeines Misstrauen gegenüber aus: "In den letzten 25 Jahren gab es einen Wandel hin zum sogenannten Beraterlobbyismus. Große Beratungsunternehmen koordinieren nun die politische Einflussnahme in den Gremien. Man weiß also gar nicht, mit wem man es tatsächlich zu tun hat. Ein Angehöriger einer NGO kann also durchaus subtil Industrielobbyismus betreiben, ohne es überhaupt zu wissen. Es wird zunehmend schwieriger, mit Politikern und Journalisten in Kontakt zu treten, geschweige denn Gehör zu finden. Das ist eine der größten Sorgen, die uns momentan umtreibt."

Zur Rolle des LEHs und den Erzeugerorganisationen
Becker erkenne ein "Revolutionspotenzial" bei den Bauernprotesten: "Unter anderem Stiftungen wie die der Familie Albrecht kaufen vermehrt Ackerland auf. Sie mehren ihren Wohlstand auf Kosten der hiesigen Landwirtschaft, während man die Produktion jederzeit auch ins Ausland verlagert. Darin steckt ein Revolutionspotenzial, dem mit einem Interessenausgleich begegnet werden muss. Dazu muss man keine sozialistischen Maßnahmen ergreifen, denn es reicht bereits, dass man die Wettbewerbschancen im Sinne des Ordoliberalismus angleicht und immer wieder auf den Prüfstand stellt."

Um der Marktmacht des LEHs nicht vollkommen ausgesetzt zu sein, sei die Arbeit der Erzeugerorganisationen (EO) von großer Bedeutung. "Es gab vor einiger Zeit die Idee, eine parallele Lieferstruktur mit den EOs aufzubauen, was allerdings nicht konkurrenzfähig ist. Dennoch brauchen wir eine Lösung, da wir es in Deutschland sowohl auf der Angebots- als auch auf der Nachfrageseite mit einem Oligopol zu tun haben." Auch der klassische Obst- und Gemüsegroßhandel habe es schwer, sagt Becker. "Die Situation ist durch die Pandemie sowie durch die Insolvenzen in der Gastronomie nicht besser geworden. Auch wenn sich die Lage momentan leicht bessert."

Zum Betrieb von Becker
"Seit 2012 bauen wir Erdbeeren unter Glas an. Die Coronajahre waren preis- und nachfragetechnisch ein Geschenk. 2023 gab es dann wieder einen Rückfall in alte Verhältnisse, die Ware ließ sich sehr schwer verkaufen, der Kunde reagierte mit Kaufzurückhaltung auf die Inflation. Zusätzlich dazu bauen wir auch Himbeeren und Brombeeren unter Folie an. Bei letzteren Kulturen war ebenfalls ein schwieriges Jahr zu verzeichnen, da die Nachfrage fehlte und die Anbaubedingungen nicht einfach waren." Hauptsächlich betreibt Becker allerdings seit vielen Jahren eine Biogasanlage. "Ende der 1990er/Anfang 2000er wurden solche Projekte noch regelrecht gehypt. Das Problem ist aber, dass die Politik die notwendige Stabilität und den Vertrauensschutz in diesem Bereich vermissen lässt."

Weitere Informationen:
Joachim Becker
Helmstorfer Str. 3
21224 Rosengarten-Klecken
[email protected]
https://www.becker-klecken.de