Melden Sie sich für unseren täglichen Newsletter an um immer auf dem neusten Stand zu bleiben!

Anmelden Ich bin bereits angemeldet

Sign up for our daily Newsletter and stay up to date with all the latest news!

Abonnieren I am already a subscriber
Michaela Kaniber, Günther Felßner und André Busigel zur Lage in der deutschen Gemüseproduktion:

Wasserverbrauch, fehlende Arbeitskraftstunden und sinkende Kaufbereitschaft - Herausforderungen im Gemüsebau

Zur 58. Herbsttagung des deutschen Gemüsebaus trafen sich erneut Gemüserzeugerinnen und -erzeuger sowie weitere Vertreterinnen und Vertreter aus dem Gemüsesektor zum Austausch ein, dieses Mal im Hotel Bauer in München-Feldkirchen. Hier finden Sie eine Zusammenfassung der Begrüßungsreden von der bayerischen Landwirtschaftsministerin Michaela Kaniber, vom Präsidenten des Bayerischen Bauernverbandes Günther Felßner sowie von André Busigel, dem Vorsitzenden der Fachgruppe Gemüsebau Bayrischen Gärtnereiverband (BGV).


Vorsitzender der Fachgruppe Gemüsebau des Bayrischen Gärtnereiverbands André Busigel, der Präsident des Bayerischen Bauernverbandes Günther Felßner, die bayerische Landwirtschaftsministerin Michaela Kaniber und der Vorsitzende der Bundesfachgruppe Gemüsebau Christian Ufen

4,4 Milliarden Euro Einnahmen pro Jahr
"Bayern ist schon immer an der Speerspitze gewesen, dafür stehen wir auch in Zukunft. Bei der Gemüseproduktion müssen wir uns allerdings Nordrhein-Westfalen geschlagen geben. Es gehört aber schon einiges dazu, auf Platz 2 zu sein", so Kaniber. Noch vor der Wiederwahl hatte die bayerische Regierung einen Zukunftsvertrag für die Landwirtschaft geschlossen, an dem auch Kaniber und Felßner beteiligt waren. Hinsichtlich der hohen Lohnkosten, fehlender Arbeitskräfte, der Pflanzenschutzverordnung sowie dem Kostendruck durch den europäischen Wettbewerb sei es wichtig, Innovationskraft und unternehmerischen Geist zu zeigen. "Wir erwirtschaften allein in Bayern 4,4 Milliarden Euro pro Jahr. Die Gemüserzeugerinnen und -erzeuger vertreten eine Branche, die für meine Begriffe unverzichtbar ist. Immerhin tauchen seit 2022/2023 bzw. seit dem Krieg in der Ukraine Begriffe wie Ernährungssicherung und -souveränität häufiger auf. Dabei sollte stets das Bewusstsein dafür angeregt werden, dass regionales Gemüse nicht teurer ist als Importware."

Angesichts eines Selbstversorgungsgrads bei Gemüse von 38 Prozent in ganz Deutschland und 36 Prozent in Bayern gäbe es noch viel Luft nach oben. "Da haben wir Nachholbedarf. Gesundheitsbewusste Ernährung und Nachhaltigkeit sind keine Trends mehr. Hier punktet die heimische Ware mit kurzen Wegen, Transparenz, Frische, usw. Die Bilanz könnte gar nicht besser sein.“ Ferner sei es auch wichtig, das Vertrauen in regionale Waren zu stärken, indem man regionale Marken wie beispielsweise das Gütesiegel "Geprüfte Qualität-Bayern" verwendet. Gleichzeitig hätten hiesige Erzeuger mit Billigimporten aus Südeuropa und Marokko zu kämpfen.

Den Auswirkungen des Klimawandels begegne man bereits mit entsprechenden Maßnahmen. "Erdbeeren stammen zu 26 Prozent aus dem Gewächshaus. Salat wird zuweilen in Hydroponik kultiviert. In Bayern wurden die Förderprogramme so angepasst, dass wir auch entsprechende Rückendeckung geben können.“ Bildungseinrichtungen in Weihenstephan und Fürth sorgten derweil dafür, dass man im Einklang mit Praxis und Forschung entsprechendes Personal findet.

Vertrauen aufbauen, Konfrontation abbauen
Davon abgesehen sei es von Bedeutung, den Vorwurf, dass die Landwirtschaft Wasservorräte verschwenden würde, „maximal begegnen zu können“, indem die Landwirtschaft transparent arbeite und dies kommuniziere. Angesichts dessen wurde in Kooperation mit der Arbeitsgemeinschaft Landtechnik eine Bewässerungsapp programmiert, mit der genau beobachtet werden kann, was an Wasser genutzt wird. "In einer der trockensten Regionen Bayerns, in der Bergtheimer Mulde, wurde zudem ein Pilotprojekt gestartet, bei dem im nächsten Jahr digitale Wasserzähler eingesetzt werden, die die Echtzeitdaten auch verarbeiten können. Das Ziel ist es, Vertrauen aufzubauen und die Konfrontation abzubauen. Das hat für uns oberste Priorität."

Im "Knoblauchsland" wurde ein digitales Projekt gestartet, das die Staatsregierung mit 500.000 Euro fördert. "Zwei Dinge darf man nicht zulassen: Erstens, dass man beim Thema Wasser über Verteilungskämpfe redet, die früher oder später entstehen werden, wenn wir uns nicht auf den Weg machen. Zweitens, dürfen Verschwendungsvorwürfe nicht entstehen. Daher bin ich dem bayerischen Ministerpräsidenten sehr dankbar, dass er einen runden Tisch zum Thema Wasserversorgung/Wasserstrategie ins Leben gerufen hat, damit Wasser eben nicht zu einem Konfliktthema wird.“

Abnehmende Kaufbereitschaft, fehlende Arbeitskraftstunden
Felßner sprach wiederum über die Herausforderungen hinsichtlich der abnehmenden Kaufbereitschaft seitens der Verbraucher als auch über die sinkende Arbeitsbereitschaft in der Branche. Als Problem sah er dabei weniger die sinkende Anzahl an Arbeitskräften, sondern vielmehr, dass die vorhandenen Mitarbeiter nicht mehr bereit seien, mehr Arbeitsstunden auf sich zunehmend. "Wir arbeiten zu wenig. Wir haben einen Mindestlohn, der die Wettbewerbsfähigkeit in der Gärtnerei und Landwirtschaft erschwert. Wer sind denn die mittelständischen Unternehmen, die diese Wirtschaft und Gesellschaft tragen? Wo kommen sie in dieser Denke vor? Es ist nicht logisch und nicht fair, nur die Industrie zu entlasten und die familiengeführten Betriebe, die genauso im internationalen Wettbewerb stehen, damit weiter zu belasten oder sogar mehr zu belasten", konstatiert Felßner.

"Wir müssen in der Landwirtschaft, bei den Gärtnereibetrieben und in der Politik gemeinsam Konzepte entwickeln. Der Green Deal, wie er vor den Krisen aufgesetzt wurde, ist zu kurz gedacht. Er bringt uns in Europa in Gefahr, weil er Versorgungssicherheiten reduziert, Resilienzen schwächt und diejenigen, von denen wir abhängig sind, stärkt. Er ist nur halbfertig gedacht. Wir können einen echten Green Deal in Bayern machen. Wir können Ökologie und Dekarbonisierung, etc. Der Zukunftsvertrag ist unserer bayerischer Green Deal. Vielleicht können sich das andere Bundesländer als Vorbild nehmen. Wir müssen aufstehen und uns einbringen und Deutschland sowie Europa auf den Weg bringen.“

In Bayern kooperieren die Bauern auch stärker mit der Regierung, so Felßern. "Das macht sich unter anderem dadurch bemerkbar, dass die Bauern bei der letzten Landtagswahl zu 90 Prozent die bayerischen Regierungsparteien wiedergewählt haben. Es besteht ein Grundvertrauen, das beim Bund sowie in der EU-Politik fehlt. Es geht am Schluss um die Frage, wie die Betriebe ihre Arbeit so gestalten, um ihre Existenz gut bestreiten zu können.“ Europa sei Felßner zufolge angesichts des "Green Deals" und den Diskussionen um SUR auf dem falschen Weg. Die Absage an SUR seitens der EU-Kommission begrüßte er daher.

Einkaufsdruck durch LEH
Was sind Felßner zufolge die großen Herausforderungen im Gemüsebau? "Einerseits ist es der aktuelle Kurs Europas, andererseits die veränderte Kaufbereitschaft der Kunden. Die Energie- und Verbraucherpreise sind nach oben geschnellt, und die Menschen sparen in erster Linie bei Lebensmitteln. Hinzukommt, dass der LEH in Deutschland in einer Weise konzentriert ist, wie fast nirgends anders auf der Welt. Dadurch haben sie eine Einkaufsmacht und entwickelten dadurch auch einen Einkaufsdruck auf unsere Unternehmen, die so groß ist wie nirgends sonst. Zudem haben wir eine Bundesregierung, die seit zwei Jahren unglücklich agiert und kein Vertrauen wachsen lässt. Eigentlich ist sie seit einigen Wochen im Stillstand."

Wassernutzung statt Wasserverbrauch
Ferner sei eine Pflanzenschutzverordnung vonnöten, die einen nachhaltigen Umgang und eine Kreislaufwirtschaft ermöglicht. "Wasser ist auf der ganzen Welt ein großes Thema, so auch bei uns. Der Wasserverbrauch in der bayerischen Lebensmittelproduktion liegt meines Wissens nach bei vier Prozent. Golfplätze verbrauchen in Bayern mehr Wasser als die Landwirtschaft. Bisher heißt es, dass wir Wasser entnehmen, obwohl wir das Wasser lediglich nutzen. Wir müssen diese Erzählung anders aufsetzen. Bewässerung und Wassernutzung für die Landwirtschaft bedeuten, dass wir Wasserhaushalte anders denken müssen.“ Mit vier Arbeitskreisen und einer eigenen Wasserstrategie soll diesem Problem begegnet werden. "Ohne Wasser haben wir aber auch nichts zu essen. Neben dem Wasser geht es auch um Klimaschutz und gesunde Ernährung."

Gesellschaftliche Rolle der Erzeuger im Vordergrund
Der Vorsitzende der Fachgruppe Gemüsebau vom Bayrischen Gärtnereiverband, André Busigel, blickt mit Stolz auf die Rolle, die der Branche innerhalb der Gesellschaft zurück. "Zu unseren Aufgaben zählt es unter anderem Menschen mit gesunden Lebensmitteln zu versorgen. Gemüsegärtner zu sein ist nicht nur ein Beruf, sondern stellt auch einen wichtigen Beitrag zur Sicherstellung unserer Ernährung dar. Innovationen sind in einem Hochlohnland dabei unser Schlüssel zum Erfolg. Statt uns von Hindernissen ausbremsen zu lassen, müssen und sollten wir verstärkt auf neue Technologien und intelligente Arbeitsmethoden setzen", so Busigel.

"Im Juli hatte ich die Gelegenheit beim bayerisch-israelischen Wasserkongress in Unterfranken teilzunehmen. Die Israelis haben mit Stolz von einem Bewässerungsprojekt berichtet, das sich mitten in der Wüste befindet. Dabei nutzen sie modernste Sensoren, Messmethoden, Wasserspeichertechniken, Ventilsteuerungen, etc. um Obst und Gemüse erfolgreich anzubauen. In Deutschland haben wir wiederum das Gefühl, dass wir uns beengen müssen, wenn wir über Wasser sprechen. Jedes Leben, also auch das von Nahrungspflanzen, braucht Wasser in einer geeigneten Menge und Qualität um zu leben."

In Deutschland gäbe es zwar rund 60.000 Start-ups, wobei sich nur 450 von ihnen mit Landwirtschaft beschäftigen würden. "Wenn wir über Bewässerung und Wasserschutz sprechen, geht es oftmals um neue Auflagen, Regelungen, etc., die unsere Arbeit aufhalten. Im wahrsten Sinne des Wortes geraten lebensnotwendige Leistungen komplett aus dem Blick. Unsere Kompetenz wird durch zusätzliche Auflagen geradezu infrage gestellt. Doch indem wir vorausschauend denken und uns kontinuierlich verbessern, zeigen wir, dass wir unsere Verantwortung Ernst nehmen." Das Energieeffizienzgesetz erschwere zudem die Arbeit angesichts des hohen Dokumentationsaufwands.

"Das Ganze soll zudem durch Wirtschaftsprüfer und Umweltgutachtern kontrolliert werden. Das ist eine gewaltige personelle und finanzielle Aufgabe, die da auf uns zukommt, ohne, dass dabei auch nur eine Kilowattstunde eingespart wird. Das gleicht einer Sisyphosaufgabe. Im Gegensatz zu ihm, geht es bei uns gefühlt jede Woche einen zusätzlichen Stein hinzu, obwohl wir unseren Betrieb zu pflegen haben? Warum glaubt der Gesetzgeber nicht mehr an die Marktwirtschaft? Wir bestehen den Wettbewerb nur, wenn wir verantwortlich und sparsam mit den Ressourcen umgehen. Niemand von uns möchte eine Kilowattstunde zu viel ausgeben. Dafür brauchen wir weder Wirtschaftsprüfer noch Umweltbeobachter. Wir möchten keine Sonntagsreden mehr hören, indem die Familienbetriebe und mittelständische Unternehmen als Stabilitätsanker gelobt werden, wenn gleichzeitig genau diesen Betriebsstrukturen durch Auflagen Misstrauen entgegengebracht wird und die Existenzgrundlagen entzogen werden.“

Weitere Informationen:
https://www.gemuesebau.org
https://bgv-bayern.de
https://www.derdeutschegartenbau.de