Insgesamt 1500 weiß lackierte Metallsäulen stehen Spalier in der riesigen Halle. Vom Himmel trennt sie das Glasdach, dessen Elemente von 40 Lastwagen herangeschafft wurden. Der Rohbau für das neue Gewächshaus der Scherzer & Boss Fruchtgemüse GmbH in Feulersdorf sieht futuristisch aus.
Lediglich am Boden erkennt man noch immer das Ackerland, das die Grundfläche liefert. Traktoren und Planiermaschinen tuckern durch die 150 Meter langen Gänge, in denen später Tomaten und Gurken wachsen werden. Sie bändigen das Erdreich, denn es muss vollständig plan sein. Nur so können die Erntemaschinen auf dem Gewächshausboden fahren. Die störrische Juraerde war für die beiden Geschäftsführer, die Cousins Stefan Scherzer und Fritz Boss, bereits im ersten Bauabschnitt, von April bis September 2017, eine Herausforderung. Um das 25-Millionen-Euro-Projekt auf den Weg zu bringen, mussten zunächst die Felsen im Boden beseitigt werden. Fritz Boss, einer der beiden Geschäftsführer, bestätigt: "Dass der Boden so felsig ist, haben die Bodensondierungen nicht gezeigt. Das war für uns eine ziemliche Überraschung." Im Vergleich dazu seien die vier Wochen, in denen dieses Jahr gefräst und planiert wurde, eine Kleinigkeit gewesen.
150 Tonnen Fruchtgemüse pro Woche
Mitte Mai hat der zweite und letzte Bauabschnitt begonnen, den die Gemeinde Wonsees bereits 2017 im Rahmen des Bauantrags genehmigt hatte. Zu den bestehenden neun Hektar Gewächshausfläche kommen nun noch einmal sechs Hektar dazu. Die Produktion soll nächstes Jahr von hundert Tonnen Fruchtgemüse - verschiedene Sorten Tomaten, Gurken, Paprika und Peperoni - pro Woche auf 150 Tonnen steigen. "Die Nachfrage ist groß", bestätigt Betriebsführer Michael Kießling aus Feulersdorf.
Die Scherzer & Boss Fruchtgemüse GmbH liefert bayernweit an den Lebensmittel Groß- und Einzelhandel. "Was wir heute ernten, muss morgen in der Theke liegen", betont Kießling. Lieber seien die Tomaten einen Tag länger an der Pflanze, als einen Tag länger im Kühlhaus. Vor allem das Wintergeschäft wird sich mit dem zweiten Gewächshaus mehr als verdoppeln. Zusätzlich zu aktuell 2,2 Hektar im alten, werden im neuen Gewächshaus drei Hektar der Fläche belichtet sein. So bekommen Strauch-, Cocktail-, Eier- und Naschtomaten auch an Regentagen 18 Stunden Tageslicht ab. "3600 Lampen sorgen für ausreichende Belichtung", erklärt Kießling. Die Außenwelt wird davon aber nichts mitbekommen, denn ferngesteuerte Verdunklungsschirme schlucken 99,9 Prozent des Gewächshauslichts.
Modernste und schonende Anbautechnik
Die Gewächshäuser gehören zu den modernsten in ganz Deutschland, besonders was die Klimaführung betrifft. "Für die Gesundheit der Pflanzen ist sie das A und O", so Fritz Boss. Innovativ sei vor allem das Air & Energy Klimasystem der niederländischen Firma Ammerlaan Construction. Während in herkömmlichen Gewächshäusern die Luft durch Heizen und Lüften entfeuchtet und erwärmt wird, übertragen beim Air & Energy Klimasystem Plattenwärmetauscher Abluftwärme auf Frischluft und sparen so Energie. Die erzeugen die Feulersdorfer Gewächshäuser ab Januar selbst, mittels zweier Erdgas betriebener Blockheizkraftwerke, die von Oktober bis November installiert werden. Jedes stellt pro Stunde 1,5 Megawatt Strom und 1,7 Megawatt thermische Energie für den Gewächshausbetrieb zur Verfügung. Die Abgase werden via Katalysator gereinigt und das so gewonnene Kohlendioxid als Düngegas im Gewächshaus recycelt. Pflanzen benötigen Kohlendioxid dringend für ihren Stoffwechsel. Durch Photosynthese produzieren sie daraus Zucker. Im Gewächshaus wird die Kohlendioxidkonzentration über dem normalen Wert in der Luft gehalten. Der Mensch merkt das beim Atmen nicht, doch die Pflanzen wachsen um 15 Prozent besser.
Der Feulersdorfer Gemüsebaubetrieb arbeitet nicht nur effizient bei der Einsparung von Treibhausgas, sondern auch bei der Bewässerung. Zwei Regenwasserauffangbecken mit 20 000 und 60 000 Kubikmetern Kapazität, sorgen dafür, dass der Regen auf den riesigen Dachflächen nicht vergeudet wird. Vermischt mit fünf Prozent Brunnenwasser gelangt es in den Gewächshauskreislauf. Jede einzelne der Pflanzen hat über ein Schlauchsystem ihre eigene Wasser-und-Mineralstoff-Versorgung. Auch das Kondenswasser, das im Inneren anfällt, wird über ein aufwendiges Rezirkulationssystem wieder in den Kreislauf eingespeist. "Dieses Jahr haben wir noch kein Leitungswasser gebraucht", erklärt Kießling.
Der Rohbau des neuen Gewächshauses steht, zwei Wochen früher als im Zeitplan vorgesehen. Im Moment werden letzte Planierungsarbeiten durchgeführt, die Glasscheiben gereinigt und die Rohre für das Heizsystem verlegt. Das derzeit 75-Kopf starke Personal wird um weitere 50 aufgestockt. Dafür werden derzeit auf dem Firmengelände auch neue Mitarbeiterunterkünfte gebaut. Zur letzten Bauphase wird das Walzen der maßgeschneiderten Kulturrinnen gehören. In der Woche vor Weihnachten sollen darin 78 000 neue Tomaten- und Gurkensetzlinge angepflanzt werden. Bei Scherzer & Boss stehen die Wurzeln der Pflanzen in einem Substrat aus Kokosfasern. Im Gegensatz zu Erde, sind diese frei von Bakterien und Pilzen, die Pflanzen leiden seltener unter Krankheiten. So spart sich die Firma aufwendigen Pflanzenschutz. Für den Fall, dass doch der eine oder andere Schädling auftaucht, wird eine Armada natürlicher Fressfeinde ausgesetzt, etwa Raubmilben, Florfliegen oder Schlupfwespen. Hummeln, die in speziellen Behältern im Gewächshaus leben, bestäuben die Tomatenblüten.
Wenn der zweite Bauabschnitt abgeschlossen ist, wird die Gewächshausfläche in Feulersdorf insgesamt 15 Hektar betragen. Zum Ausgleich für das bebaute Land legte der Betrieb diesen Sommer acht Hektar Naturbiotope rund um das Firmengelände an, von Bienenweiden und Lurchteichen über Rebhuhnhecken bis hin zu Eidechsenhängen.
Quelle: Frankenpost