Der Trend zu großen, festen Kirschen ist ungebrochen. In Erwartung eines höheren Preises entwickelten sich in den vergangenen Jahren verschiedene Anbauformen. „Es bringt Ihnen jedoch nichts, wenn Sie für ihre Früchte die Investition nicht zurückverdienen. Jeder Käufer – ob direkt oder indirekt – hat seine eigenen Anforderungen, und die müssen Sie bedienen", lautete das Fazit von Peter Hilsendegen, Steinobstberater am DLR Rheinland-Pfalz. „Also prüfen Sie ihre Investitionen von hinten her", forderte er die rund 60 Zuhörer des Steinobst-Forums am 19. November 2025 im Messe Konferenz Center der Messe Karlsruhe auf. In seiner Analyse der Anlagensysteme zeigte sich nach fast 13 Jahren Testzeit in Oppenheim erstaunliche Unterschiede.
"Die zentrale Frage, welches Anbausystem sich bewährt, kann man so nicht pauschal beantworten", erklärt Peter Hilsendegen, „aber wir sehen, dass neben einem ausreichenden Angebot an Wasser, Nährstoffen und Wärme während der Zellteilungsphase in den ersten Wochen nach der Blüte vor allem die Baumerziehung ist, die von Obstbauern als Instrument zur Verbesserung der Fruchtgröße genutzt werden kann. Bedenken Sie: „Die Ertragssicherheit, die durch die hohe Produktivität der neuen Sorten-Unterlagenkombinationen ermöglicht wird, hat auch eine Kehrseite: denn ein hoher Fruchtansatz und schwächeres Wachstum können leicht die Fruchtgrößenentwicklung beeinträchtigen". Dieser Effekt könnte sich noch verstärken, wenn im Nachbau die gleiche Fläche für mehrere Baumgenerationen nacheinander genutzt wird, wie es im geschützten Anbau mit Überdachungs- oder Einnetzungssystemen immer häufiger zur Regel wird.
© H. Knuppen
Früchte am einjährigen Holz
Diese Beobachtungen wurden in die Entwicklung von Erziehungssystemen integriert. Die konsequenteste Umsetzung ist bei der „Super Schlanken Achse" (Super Slender Axe) oder kurz „SSA" zu finden. Diese in Oberitalien entwickelte Methode konzentriert sich bei der Fruchtproduktion fast ausschließlich auf die Nutzung des einjährigen Holzes. Mehrjähriges Holz wird höchstens noch zur Produktion einjähriger Triebe gebraucht. Die einjährigen Triebe setzen an der Basis ein paar Blütenknospen an, aus denen sich einzeln hängende Früchte bilden. Sie können viel leichter zur vollen Größe heranwachsen – ohne die starke Konkurrenzsituation, die in Fruchtbüscheln herrscht.
Mit dem Verzicht auf mehrjähriges Holz und Fruchtbüschel befinden sich nur wenige Früchte am Baum. Um dennoch den Flächenertrag zu erhalten, wird die Pflanzdichte erhöht. Üblicherweise werden 4.000 bis 6.000 Bäume pro Hektar gepflanzt. Das entspricht einem Baumabstand von 0,75 bis 0,50 Metern bei einem Reihenabstand von drei Metern und einer Baumhöhe von maximal vier Metern. 150 bis 250 Früchte pro Baum genügen, um den standardisierten Flächenertrag von über zwölf Tonnen pro Hektar zu erreichen. Mit dieser vergleichsweisen geringen Fruchtzahl sind die Bäume nie überlastet, können zuverlässig Früchte in bester Qualität liefern und neue Blütenknospen fürs Folgejahr anlegen.
Das Blatt-Frucht-Verhältnis wird in erster Linie mit den Schnittarbeiten vor der Blüte eingestellt. Zusätzlich können Schnittarbeiten im Spätsommer die Anzahl Blütenknospen an der Basis der Neutriebe erhöhen. Zur Optimierung werden die Schnittarbeiten deshalb aufgeteilt auf einen Termin im Spätsommer und einen Termin kurz vor der Blüte.
Durch den standardisierten Rückschnitt auf ein bis drei Blattknospen wandert die Ertragszone von Jahr zu Jahr immer weiter nach außen. Deshalb werden zusätzlich jährlich drei bis vier Äste auf jeder Seite weiter zurückgeschnitten, um wieder Neuaustriebe aus Stammnähe zu erhalten. Dies geschieht nach dem Prinzip des Rückschnitts auf „lebendige Zapfen", damit die Chance auf neue Triebbildung möglichst hoch ist. Es bleiben ausreichend lange Zapfen stehen, die mit einem vegetativen Teil enden - z. B. einer Blattknospe, einem Seiten- oder Kurztrieb.
Anforderungen an das Pflanzmaterial
Das ideale Pflanzmaterial für SSA sind kräftige, unverzweigte, einjährige Veredelungen mit einer Höhe von rund 1,20 bis 1,80 m. Eventuell vorhandene Seitentriebe werden nach der Pflanzung komplett entfernt. Kurze Internodien bieten die Chance auf eine möglichst große Zahl von Seitentrieben im ersten und zweiten Jahr.
Vor allem die höhere Pflanzdichte treibt die Investitionskosten und damit auch das unternehmerische Risiko in die Höhe. SSA-Bäume füllen durch das enge Pflanzraster bereits im zweiten, spätestens im dritten Jahr den Standraum komplett aus und haben damit bereits das Vollertragsstadium erreicht.
Mit diesen hohen Anfangserträgen ist es möglich, die Mehrkosten (Pflanzmaterial, Arbeit) gegenüber einer Standard-Spindel-Anlage bereits im vierten Jahr auszugleichen. Das Vollertragsniveau entspricht mindestens dem einer Standard-Spindel-Anlage.
Deutlicher Vorteil bei den Fruchtgrößen
In puncto Fruchtgröße erfüllt das SSA-System die Erwartungen. Im Vergleich zu anderen Systemen brachte SSA einen deutlichen Vorteil in der Fruchtgröße. Bei den in Oppenheim untersuchten Sorten war der Anteil großer Früchte (über 28 mm) je nach Sorte höher als bei der Standard-Spindelanlage, meistens um rund 15 Prozent, in einigen Jahren auch um bis zu 40 Prozent bei vergleichbarem spezifischem Baumertrag. Mit dem System einer Doppelachse erreichten die Fruchtgrößen eine Zwischenstellung zwischen SSA und Spindel. Bei anderen Erziehungsformen waren die Fruchtgrößen noch kleiner ausgefallen, besonders dann, wenn sich hohe Anfangserträge an älterem Holz befanden.
Der Verzicht auf langes, mehrjähriges Holz beeinflusst auch andere Kulturarbeiten. Bei der Ernte sind alle Früchte einer Baumseite nur eine Armlänge von der pflückenden Person entfernt, was die Pflückleistung um rund 25 Prozent erhöht.
Folgende Voraussetzungen sind wichtig
Diesen Vorteilen stehen auch einige Nachteile gegenüber: Der für SSA enorm wichtige zweite Schnitttermin steht unter Termindruck, da er nur innerhalb einer Zeitspanne von rund zwei Wochen rationell und korrekt durchgeführt werden kann. Dort, wo diese Terminarbeit nicht zeitgerecht erfolgen kann, ist dieses Erziehungssystem fehl am Platz.
Gegenüber anderen Erziehungsformen kommen die Vorzüge der SSA besonders unter den folgenden Voraussetzungen zur Geltung:
- Für große Früchte lässt sich ein deutlich höherer Preis realisieren.
- kurzfristiger Produktionsaufbau für ein bestimmtes Marktsegment oder eine neue Sorte wird benötigt
- Die Schnittarbeiten werden regelmäßig und konsequent durchgeführt.
- Die Terminarbeit für den Blütenschnitt lässt sich organisieren.
- Gute Bedingungen für Wachstum und regelmäßigen, sicheren Ertrag sind vorhanden.
- Es sind Einzelreihen- oder vollflächige Schutzsysteme geplant.
- Die gesamtwirtschaftliche Situation des Betriebes erlaubt das höhere Investitionsrisiko.
Konsequente Durchführung der Schnittarbeiten bei insgesamt guter Kulturführung
Die Entwicklung des SSA-Systems war in erster Linie zur flächigen Produktion qualitativ hochwertiger Kirschen entwickelt worden. Die Vorteile sind allerdings auch auf kleinen Flächen nutzbar. Der Erfolg dieses Erziehungssystems hängt vor allem von der regelmäßigen, konsequenten Durchführung der Schnittarbeiten bei insgesamt guter Kulturführung ab.
Einige Elemente des intensiven Baumschnitts der SSA können auch bei anderen Erziehungsformen eingesetzt werden, um regelmäßig junges Fruchtholz in einer gut belichteten Baumkrone zu erhalten. Die zielgerichtete Entwicklung von Erziehungsformen wird sich deshalb immer weiterbewegen.
Weitere Informationen:
http://www.herbertknuppen.de/