Was im Frühjahr als kleiner Aufruf in einem geschlossenen Telegram-Kanal begann, hat sich mittlerweile zu einer landesweiten Mobilisierungswelle unter dem Motto „Alles lahmlegen" entwickelt. Die Initiative ging von einer nordfranzösischen Bürgerinitiative namens Les Essentiels aus, die zunächst für eine Art „selbst auferlegten Lockdown" plädierte: nicht arbeiten, nicht einkaufen, zu Hause bleiben – mit dem Ziel, das Land vollständig lahmzulegen.
Im Laufe des Sommers wuchs die Bewegung stark, insbesondere in sozialen Medien wie Facebook, X, TikTok und anderen Plattformen. Auch der Ansatz wurde breiter: von einer symbolischen Stilllegung hin zu Aufrufen zu einem Generalstreik, Besetzungen und Blockaden strategischer Orte.
Wie damals bei den Gelbwesten handelt es sich um eine sogenannte horizontale Bewegung: keine Gewerkschaft oder politische Partei an der Spitze, sondern eine lose Gruppe von Bürgern, die sich über soziale Netzwerke mobilisiert. Dennoch blieben die traditionellen Akteure nicht lange untätig. Linke Parteien wie LFI, PS, EELV und die Kommunistische Partei schlossen sich an, ebenso wie Gewerkschaften wie CGT (vor allem im Handel und Dienstleistungssektor), Solidaires und Confédération Paysanne.
FNSEA, die größte Erzeugerorganisation Frankreichs, entschied sich für einen anderen Weg. Auf ihrer Herbstkonferenz gab sie bekannt, dass sie sich nicht an diesem Aktionstag beteiligen werde, kündigte jedoch an, dass der Agrarsektor später im Herbst eigene Aktionen durchführen werde.
Der französische Innenminister Bruno Retailleau hat die Präfekten angewiesen, Blockaden lebenswichtiger Infrastrukturen – wie Bahnhöfe, Häfen, Flughäfen, Kraftwerke, stark befahrene Straßen, Öldepots und Verteilzentren wie den Großhandelsmarkt Rungis – so schnell wie möglich aufzuheben, falls sie stattfinden sollten. Nach Informationen aus Geheimdienstkreisen wird sich der Protesttag weniger in klassischen Demonstrationen als vielmehr in gezielten Blockaden und Besetzungen äußern.
Auch Supermärkte und Großküchen sind in Alarmbereitschaft. Die Gewerkschaft CGT ruft zu Aktionen bei Ketten wie Carrefour, Sodexo und Flunch auf. Wie viele Menschen genau daran teilnehmen werden, ist noch unklar, aber lokale Störungen sind durchaus möglich und können sich schnell auf die Lebensmittelkette auswirken.
Ein Aktionstag voller Fragezeichen
Das Schwierige an dieser Bewegung ist, dass sie schwer vorhersehbar ist. Alles wird lokal über soziale Medien und verschlüsselte Apps wie Telegram und Signal organisiert. Es gibt interaktive Karten, auf denen Menschen ihre eigenen Aktionen melden können, von Blockaden über Mautstellenaktionen bis hin zu freiem Durchgang an Mautstellen. Es gibt jedoch keine zentrale Koordination, sodass niemand genau weiß, wie der 10. September verlaufen wird.