Das Interview mit Philippe Appeltans und David Markowski, CEOs von BelOrta bzw. The Greenery, findet in einem Konferenzraum in Brecht (B) statt. Ein Ort, der zentral zwischen Barendrecht und Sint-Katelijne-Waver liegt. Für die Herren kein unbekanntes Terrain, denn in den vergangenen Monaten haben sie sich dort auch getroffen, um die Gründung einer Transnationalen Union von Erzeugerorganisationen (TUPO) zu prüfen. Und das mit Erfolg, denn gestern wurde die Gründungsurkunde beim Notar unterzeichnet. Sobald die Anerkennung auf dieser Grundlage genehmigt ist, kann FreshAlliance offiziell starten.
Anfang 2023 fanden die ersten Sondierungsgespräche zwischen BelOrta und The Greenery statt. Zwei Jahre später blicken beide Männer zufrieden auf den Prozess zurück. Die TUPO sei keine Fusion, betonen sie. Die Partnerschaft - an der beide Genossenschaften zu gleichen Teilen beteiligt sind - bietet jedoch alles, was eine Erzeugerorganisation (EO) bieten kann, jedoch mit der Freiheit, Entscheidungen zu treffen. "Diese Struktur ermöglicht es, zu entscheiden, was gemeinsam angegangen werden soll und was auf der Ebene der einzelnen Vermarktungsorganisationen verbleibt. So können wir die Zusammenarbeit Schritt für Schritt gestalten", erklärt Appeltans.
© Izak Heijboer | FreshPlaza.de
David Markowski (The Greenery) und Philippe Appeltans (BelOrta)
Zusammenarbeit nach Themen definieren
"Auf diese Weise können wir in aller Ruhe die Möglichkeiten der Zusammenarbeit erkunden. Wir müssen das nicht sofort für alle Aktivitäten oder Produkte tun, aber wir können pro Thema festlegen, wo wir eine Win-Win-Situation für beide Parteien sehen und damit eine noch attraktivere Partei für unsere Erzeuger und unsere Kunden sein", so Markowski weiter. "Dieser Weg bietet uns Flexibilität und so können wir beispielsweise in Bereichen wie Nachhaltigkeit, S&OP oder dem Einsatz neuer Sorten und Technologien gemeinsam agieren. Wenn es beispielsweise um die Lizenzierung geht, ist man ein interessanter Partner für die Züchter."
Auf die Frage, welche konkreten Maßnahmen wir zum Start von FreshAlliance erwarten können, antwortet Appeltans: "Da die Anerkennung noch nicht abgeschlossen ist, können wir noch keine konkreten Maßnahmen nennen. Aber wir haben die verschiedenen Bereiche klar definiert. Das kann produktbezogen sein, marktsegmentbezogen, aber auch bei Dossiers über Lizenzen für Sorten und Verpackungsmaterial. Wir haben in letzter Zeit viel Vorarbeit geleistet, um uns gut kennenzulernen, manchmal auch wortwörtlich zu verstehen, denn ich glaube, dass ich viele niederländische Ausdrücke inzwischen schon besser verstehe."
Sorgfältiger Prozess
Für die belgischen Genossenschaften ist die UPO keine neue Form. So arbeiten sie beispielsweise seit 1998 in der LAVA zusammen. "Wir haben auch schon einmal die Realisierung einer TUPO mit französischen Kollegen untersucht, aber das war auf Eis gelegt. Der Grund dafür war, dass wir vielleicht zu voreilig mit einem Top-Down-Ansatz begonnen haben, aber das hat nicht funktioniert. Zuerst muss man Vertrauen zueinander aufbauen. Und das mag langsamer gehen, aber ich sehe das wie einen Marathonlauf. Wenn man zu schnell startet, kommt man vielleicht nicht ins Ziel, aber wenn man sich gut vorbereitet und gut dosiert, kann man eine gute Zeit erreichen. Indem wir alles Schritt für Schritt machen, können wir gemeinsam Erfolgserlebnisse schaffen."
Markowski betont auch die Bedeutung eines sorgfältigen Prozesses. "Zuerst muss man gemeinsam die Ziele klären. Dann fängt man an zu überlegen, welche Ziele man hat und wie man sie gemeinsam erreichen will. Aber es geht auch sehr stark um das Vertrauen. Nur wenn man transparent miteinander umgeht, kann man wirklich zusammenarbeiten. Aber an diesem Vertrauen muss man arbeiten. Sobald man die Ziele klar definiert hat, kann man sich überlegen, wie man die Partner mit ins Boot holt. Das geht vor allem dadurch, dass man ihnen zeigt, was das Projekt für sie leisten kann. Da wir vorsichtig an die Sache herangegangen sind, hat dies seine Zeit gebraucht. Schließlich musste der Betrieb auch während der geschäftigen Anbau- und Vermarktungssaison weiterlaufen."
Bündelung auf der Angebotsseite logischer Schritt
Auf die Frage, wie die Mitglieder auf diesen Schritt reagiert haben, antwortet der Direktor von BelOrta: "Überwiegend positiv. Natürlich gab es auch kritische Fragen, aber man hat erkannt, dass man auf der Produktionsseite zusammenarbeiten muss, um für die Nachfrageseite relevant und attraktiv zu sein. Die Frage ist auch nicht, wie wir den Markt morgen sehen, sondern wo wir in fünf bis zehn Jahren stehen wollen. Mit der Konsolidierung und Internationalisierung der Nachfrageseite ist die Bündelung der Angebotsseite ein logischer Schritt. Diese Zusammenarbeit bietet bessere Absatzmöglichkeiten und Kostenvorteile. Es liegt an uns, schnell zu zeigen, dass eins plus eins mehr ist als zwei. Deshalb setzen wir jetzt Prioritäten bei den Möglichkeiten und den damit verbundenen Maßnahmen, die es uns ermöglichen werden, in relativ kurzer Zeit zu zeigen, dass die Zusammenarbeit für uns von Vorteil ist."
"Größere Einzelhändler sind an Lieferanten interessiert, die Breite, Tiefe, Vielfalt und Qualität beherrschen", fügt Markowski hinzu. Mit der Kombination unserer niederländischen und belgischen Erzeuger haben wir eine noch bessere geografische Streuung und damit auch ein günstiges Risikoprofil in Bezug auf die Produktverfügbarkeit für den Kunden."
Erste Reaktionen der Erzeuger
In der Vergangenheit sind bereits einige niederländische Erzeuger zur belgischen Genossenschaft gewechselt. Nach der Ankündigung der Studie zum Abschluss einer TUPO mit The Greenery reagierten mehrere Erzeuger gegenüber der unserer Redaktion mit Besorgnis. Nach Ansicht des Direktors von BelOrta sind diese Sorgen jedoch unbegründet. "Zunächst einmal werden unsere Erzeuger einfach unsere Mitglieder bleiben. Beide Genossenschaften haben ihre eigene Arbeitsweise, und wir werden nur dann zusammenarbeiten, wenn eine Win-Win-Situation zu erreichen ist. Zugleich kann ich mir die erste Reaktion der Erzeuger vorstellen. Oft liegen diese Emotionen oder Erfahrungen schon länger zurück, und zwar vor unserer Zeit. Wir haben das auch bei der Integration der Haspengouw- und BFV-Auktionen bei den Kernobstbauern erlebt. Aber weil es gut läuft, hört man jetzt nichts mehr davon."
"Auch an der derzeitigen Beziehung zwischen Mitgliedern und Genossenschaften wird sich nichts ändern. Wir haben einfach zwei getrennte Genossenschaften und werden es auch bleiben. Die Erzeuger werden weiterhin Mitglieder der getrennten Genossenschaften bleiben, nur werden wir von den bewährten Praktiken des jeweils anderen lernen, um bei bestimmten Themen zu handeln, während man gleichzeitig seine Flexibilität und Identität behält. Und wir werden nur positive Maßnahmen vorstellen, denn sonst brauchen wir uns nicht einzumischen", so Markowski weiter.
Bewunderung von beiden Seiten
Beide Herren lernten ihren Genossenschaftskollegen genau kennen. Was ist ihnen dabei besonders aufgefallen? Markowski: "Ich habe das belgische Genossenschaftsmodell mit großem Interesse und Bewunderung verfolgt. Ich finde es auch clever, wie sie die Marke aufgebaut haben, denn BelOrta hat einen wirklich guten Markennamen. Beeindruckt hat mich auch die Vielzahl der Kooperationen in Belgien. Ich denke, dass die südlichen Nachbarn, zum Beispiel im Rahmen von LAVA, erfolgreicher darin sind, als Konkurrenten im Rahmen der rechtlichen Möglichkeiten miteinander zu kooperieren."
Appeltans: "Ich habe vor allem mit großem Respekt und Bewunderung den Übergang beobachtet, den The Greenery in relativ kurzer Zeit mit der Strategie Focus 2025 von der 'alten Greenery' zum neuen Stil vollzogen hat. Ich finde es auch beeindruckend, wie sie im vergangenen Jahr auf diesem sehr wettbewerbsintensiven Markt Schritte gewagt haben. Von Ihrem kooperativen Ansatz habe ich auch das Gegenteil gelernt. Ihr Marktansatz hat uns auch neue Erkenntnisse gebracht, im positiven Sinne. Das hat uns überzeugt, dass dieses TUPO-Modell der richtige Schritt für diese Zusammenarbeit ist."
Kulturelle Unterschiede
"Natürlich gibt es auch kulturelle Unterschiede, aber wir sollten sie nicht überbewerten. Es ist ja nicht so, dass wir eine TUPO mit einer spanischen Marketingorganisation gründen würden. Ich denke, dass wir als Niederlande und Belgien von allen Kulturen noch am ehesten miteinander harmonieren. Mit einer Ausnahme befinden wir uns in demselben Anbaugebiet mit denselben Anbaubedingungen in beiden Ländern. Es ist nicht so wie mit einem Südländer, mit dem man erst die ganze Familiengeschichte des anderen kennen muss, bevor man Geschäfte macht, wir befinden uns irgendwie dazwischen", sagt Appeltans. Markowski fügt hinzu: "Natürlich kennen wir alle die Klischees über kulturelle Unterschiede. Aber wenn man sich die niederländische Agrarlandschaft anschaut, ist es auch ein Unterschied, ob man mit jemandem aus Zeeland, dem Westland, Limburg oder dem äußersten Norden der Niederlande spricht. Es gibt auch Unterschiede zwischen den Erzeugern von Beerenobst, Kernobst, Gewächshaus- und Freilandgemüse."
Appeltans fährt fort: "Wir investieren viel in den Inhalt, aber auch in die gegenseitige Beziehung. Deshalb denke ich, dass eine TUPO auch eine gute Form ist, weil die Zusammenarbeit allmählich aus der Stärke und den Möglichkeiten und nicht aus der Notwendigkeit heraus erfolgt", so Appeltans weiter. Wir schauen uns die Bereiche an, in denen wir von einer Zusammenarbeit profitieren, und werden in anderen Bereichen unabhängig voneinander arbeiten. Das ist das Schöne an der TUPO. Lassen Sie mich ein Beispiel aus dem Biermarkt nehmen. Sie haben die Heineken-Gruppe und wir haben ABInbev. Sie heben sich gegenseitig mit ihren Größenvorteilen auf ein höheres Niveau, sorgen aber auch noch für die lokale Brauerei und die Beschäftigten unter eigenem Dach. Mit anderen Worten: global denken, lokal handeln."
Offen für Partner mit der gleichen Vision
FreshAlliance wird ein genossenschaftliches Unternehmen nach belgischem Recht sein, da BelOrta derzeit den größten Eigenbeitrag der Mitglieder hat. Die Mitglieder werden nicht über die TUPO abstimmen müssen. Drei Direktoren aus beiden Genossenschaften werden im Vorstand vertreten sein. Auf die SIG&F-Anerkennung der beiden Genossenschaften hat die Gründung der TUPO keine Auswirkungen. Beide Genossenschaften werden die operationellen Programme beibehalten. Können sich auch andere Genossenschaften anschließen? "Wir sind offen für andere Partner, vorausgesetzt, es hat eine verstärkende Wirkung auf das Gesamtkollektiv und steht auch im Einklang mit unseren gemeinsamen Zielen, die wir definiert haben", sagt Markowski. Appeltans: "Die Satzung liegt in Belgien zur Einsichtnahme aus, sodass andere Genossenschaften sehen können, ob sie unsere Ziele und unsere langfristige Vision teilen. Es besteht also die Möglichkeit für andere Organisationen, sich anzuschließen."
Auf die Frage, ob die TUPO ein Sprungbrett für einen weiteren Zusammenschluss sein könnte, antwortete der Geschäftsführer von The Greenery: "Ein Zusammenschluss ist heute kein Thema und wir haben nicht miteinander darüber gesprochen. Wir haben bewusst diese Form gewählt, um in aller Ruhe auszuloten, wo wir Kooperationsmöglichkeiten sehen. Wir bewahren uns eine große Vielfalt an Marktansätzen. Es soll keine Einheitslösung sein, aber wir wollen die Dinge in all dieser Vielfalt auf die nächste Stufe bringen. Und sollten sich zu gegebener Zeit Vorteile ergeben, die einen Zusammenschluss rechtfertigen, können wir zu diesem Zeitpunkt immer darüber sprechen, aber das ist jetzt ausdrücklich nicht der Fall und steht noch nicht zur Diskussion."
Gemeinsam mehr Wert schaffen, wo es darauf ankommt
FreshAlliance steht nicht für einen großen Sprung, sondern für viele gut gewählte Schritte in die richtige Richtung. "Wir bauen eine Zusammenarbeit auf, die auf Vertrauen und gegenseitigem Respekt beruht", sagt Philippe Appeltans. "Es geht nicht darum, alles gemeinsam auf einmal zu machen, sondern gemeinsam dort mehr Wert zu schaffen, wo es darauf ankommt." Auch David Markowski unterstreicht die Bedeutung des schrittweisen Vorgehens: "Wir bleiben bei unserer Individualität, suchen aber bewusst die Zusammenarbeit, um unser Angebot für Kunden und Erzeuger zu verbessern. FreshAlliance zeigt, dass Unterschiede kein Hindernis sein müssen, sondern vielmehr eine Chance, sich gegenseitig zu ergänzen."