Außergewöhnliche Zeiten, wie sie aktuell zu erleben sind, erfordern ein gründliches Umdenken. Jürgen Bruch, Aufsichtsratsvorsitzender von Cobana GmbH & Co. KG, appellierte auf seinem Vortrag beim diesjährigen DOGK an die Anwesenden: "Wir müssen uns zu Managern der Supply Chain wandeln und über die Ware hinausdenken." Bruch stellte dabei sowohl die Lieferkettenproblematik innerhalb der Obst- und Gemüsebranche vor als auch die entsprechenden Lösungsansätze für die bestehenden Krisen. "Das Containerchaos führt zu deutlichen Preissteigerungen. Der LEH spricht nicht umsonst von einer außergewöhnlichen, nie da gewesenen Ausnahmesituation", so Bruch.
Jürgen Bruch auf dem DOGK 2022
Mehrere Krisen auf einmal managen
"Der Krieg in der Ukraine ist zu Beginn lediglich als 'regionaler Konflikt' bewertet werden. Angesichts der Auswirkungen des Krieges sind wir hier eines Besseren belehrt worden. Die Pandemie führte wiederum dazu, dass alle Betriebe, die zurzeit des ersten Lockdowns die Gastronomie mit Obst und Gemüse versorgten, Umsatzeinbußen von bis zu 80 Prozent hatten. Der Brexit hat die Logistikketten nahezu komplett gesprengt. Hinzu kommen Klimakrise und Naturkatastrophen und eine Inflation von acht bis zehn Prozent", fasst Bruch die aktuellen Herausforderungen zusammen.
Davon abgesehen sage das ifo Institut für den kommenden Winter eine Rezession in Deutschland voraus. "Wir sind nun nicht bloß mit einem Problem konfrontiert, sondern müssen mehrere Krisen auf einmal managen. Daher müssen wir uns zu Managern der gesamten Supply Chain weiterentwickeln. Denn Themen wie die Lagerhaltung, Schiffslogistik und die LKW-Krise spielen eine immer wichtigere Rolle", sagt Bruch.
1.000 Prozent und Gaspreise um 2000 Prozent gestiegen
"Wenn Sie heute einen neuen LKW bestellen, erhalten Sie diesen entweder erst ein Jahr später oder im schlimmsten Fall nimmt man sie als Kunde gar nicht einmal mehr an, weil das jeweilige Unternehmen noch nicht einmal seine Stammkunden versorgen kann. Die Strompreise haben sich innerhalb von zwei Jahren um über 1.000 Prozent gesteigert. Gas liegt sogar bei 2.000 Prozent", so Bruch. Es gäbe weltweit 5.300 Containerschiffe. Rein statistisch gesehen lagen diese Schiffe im Vorjahr öfter in Warteschlangen, als dass sie sich auf See bewegt hätten.
Neugestaltung der Preissysteme
Um Verspätungen vorzubeugen, plädiert Bruch dafür, die Beschaffung zu diversifizieren, das heißt unter anderem, auch vor Ort mit unterschiedlichen Beschaffungslinien zu arbeiten. "Wir müssen auch intensiver miteinander kommunizieren. Der Einkauf muss sich mit der Logistik und dem Verkauf genauer auseinandersetzen. Interdisziplinär müssen wir eine wesentlich bessere Kommunikation etablieren, von der Produktion bis hin zum Kunden."
Auch die Gestaltung der Preissysteme spiele hierbei eine wichtige Rolle. "Seit einigen Jahren finden wir für bestimmte Produkte Jahrespreise vor. Wenn man mit Jahrespreisen arbeitet und gleichzeitig mit so volatilen Elementen wie Diesel oder Energie, wie kann man so einen Preis noch halten? Hierbei muss man sich überlegen, ob man mit den Kunden nicht über flexiblere Preissysteme sprechen kann. Ich glaube, dass wir hierfür bessere Planungs- und Kontrollinstrumente brauchen, die uns die Daten darüber liefern, wie wir werben, wie wir den Bedarf der Kunden, die Feiertage etc. einschätzen können. Dafür brauchen wir aber auch erst einmal eine gute Datenbasis."
"Wir laufen hier sehenden Auges in einen Verkehrskollaps rein"
Mit Bezug auf den BGA zeigt Bruch ferner auf, dass aktuell etwa 60.000 bis 80.000 LKW-Fahrer in Deutschland fehlen würden. "Der Großteil derer, die noch dieser Arbeit nachgehen, sind über 55 Jahre alt und jedes Jahr gehen 20.000 LKW-Fahrer in Rente. Wir laufen hier sehenden Auges in einen Verkehrskollaps rein. Von der Politik werden wir wohl keine Hilfe bekommen. Daher müssen wir uns selbst überlegen, wie wir solche Themen konkret lösen können", so Bruch.
Konkret bedeutet das, dass die Arbeitsbedingungen verbessert werden müssten, wenn LKW-Fahrer aus dem Ausland bezogen werden. "Eine gute Bezahlung allein reicht vielleicht nicht mehr aus. Eventuell müssen wir ihnen auch eine Wohnung anbieten und allgemein die Wertschätzung für diese Mitarbeiter steigern, was in den letzten Jahren zu kurz gekommen sind. Das sind immerhin die Mitarbeiter, die am häufigsten - in der Regel sechs Tage die Woche - bei unseren Kunden vor Ort sind."
Dazu zähle auch, dass Betriebe stärker in der Ausbildung involviert sein müssten. "Wir müssen innovativer werden, was Digitalisierung und Nachwuchsgewinnung betrifft und entsprechende Synergien suchen, sprich: miteinander kooperieren, um diese Bereiche besser in den Griff zu bekommen." Erforderlich sei hierfür auch eine gute Datenbasis zu schaffen, die "ein gutes Fundament" sei, um gute Lösungen zu finden und relevante Informationen auszutauschen. "Am Ende des Tages braucht es die Leute, die auch die richtige Intuition für unser Geschäft haben und die richtige Erfahrung für die Branche mitbringen, um die Lage richtig antizipieren zu können, bevor etwas passiert."
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Jürgen Bruch
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